۱۳۹۸ خرداد ۵, یکشنبه



Mai 22, 2019 21:30 Europe/Berlin

"Ich glaube, dass die EU ihre Möglichkeiten, eine Antikriegspolitik gegenüber der USA zu machen, unterschätzt."
ParsToday: Herr Dr. Massarrat, seit Monaten droht die aktuelle US-Regierung dem Iran mit dem Krieg. Vor Kurzem verlegte sie die US-Flugzeugträger-Gruppe Abraham Lincoln in die Gewässer des Persischen Golfs. Wie bedrohlich ist denn die gegenwärtige Lage?
Massarrat: Meines Erachtens muss man die Bedrohungslage sehr ernst nehmen. Das ist das erste Mal, wo man wirklich Sorge haben muss, dass die Vereinigten Staaten sich in Richtung einer gewaltsamen Auseinandersetzung mit Iran bewegen, zumal die Treiber dieser Politik hinter den Kulissen bekannte Personen wir John Bolton oder Mike Pompeo sind. Diese gehören zu den Kreisen der - man kann offen sagen - Kriegstreiber. Sie sind vernetzt mit dem Militärindustrie-Komplex und verfolgen ihre Ziele. Aus meiner Sicht verfolgen sie das Ziel,  im Mittleren Osten noch mehr Chaos zu erreichen. Jenseits aller Begründungen gegenüber Iran geht es darum, endlich mit Iran in einen Krieg einzuziehen. Sie nehmen auch keine Rücksicht auf die Folgen eines solchen Krieges, der meines Erachtens eine Katastrophe für die Region, aber auch für die Welt bedeute könnte. Ich nehme diese Bedrohungen sehr ernst, weil dahinter unverbesserliche Kräfte stehen, mit denen man rechnen muss. Die haben auch den Irak-Krieg angezettelt. Sie stehen hinter vielen unvorstellbaren Aktionen der USA, und man weiß nicht, inwiefern die US-Administration als Ganzes diese Leute eindämmen und kontrollieren kann. Einmal hat die CIA zusammen mit 13 anderen Geheimdiensten einen solchen Vorstoß unter dem Präsidenten Bush verhindert. Es kann auch sein, dass diesmal die Geheimdienste die Notbremse ziehen, aber das wissen wir nicht.

ParsToday: Präsident Trump kam aber an die Macht, um wie er sagte, die Kriege der USA weltweit zu begrenzen, zu stoppen. Angesichts dieser Äußerung von Trump stellt sich die Frage, wie groß ist denn die Macht von John Bolton und Mike Pompeo innerhalb der aktuellen US-Regierung?
Massarat: Die Macht dieser Personen ist immer größer geworden. John Bolton gehörte nicht zu der ersten Liga der US-Administration. Mit seiner Ernennung zum Vorsitzenden des Nationalen Sicherheitsrates der USA, und mit der Ernennung von Mike Pompeo zum Außenminister kann man sagen, dass diese beiden und ihre Hintermänner und Hinterfrauen großen Einfluss auf die US-Regierung haben. Seitdem gibt es auch die Verschärfung des Konflikts der USA mit Venezuela. Die Aufrüstung von Saudi-Arabien in den letzten Jahren widerspricht im Grunde genommen, der Verbalen Absicht von Donald Trump, die Kriege der USA zu begrenzen. Man versucht zwar direkt aus den Konfliktregionen herauszugehen, aus Syrien zum Beispiel, aber stattdessen versucht man Ersatzfelder durch Wettrüsten herbeizurufen, und insofern ist dieser Aussage nur begrenzt Vertrauen zu schenken. Die amerikanische Mittel- und Nahostpolitik ist leider insgesamt gesehen  eine Kriegspolitik. Und ich bin der Meinung, dass hier Deutschland, Europa und andere verantwortliche Regierungen in der Welt diesen Prozess so bewerten sollen, wie er ist und ohne Rücksicht auf bestimmte Befindlichkeiten Klarstellung beziehen sollten.

ParsToday: Es ist bisher immer so gewesen, dass wenn die USA einen Krieg irgendwo auf der Welt anzetteln wollten, sich mit ihren europäischen Partnern berieten. Sehen Sie überhaupt Anzeichen für eine solche Politik innerhalb der Europäischen Union? Meinen Sie, dass die Europäer, wenn die USA in einen Krieg mit dem Iran einsteigen,  da auch mitmachen?
Massarrat: Es war in der Tat immer so, dass die USA für große Kriegsprojekte versucht haben ihre Verbündeten, insbesondere die EU-Staaten,  auf ihre Seite zu ziehen. Das versuchen sie auch heute. Die Selbsteinladung von Mike Pompeo zu der Sitzung  der EU-Außenminister in der letzten Woche war ein Versuch,  die EU ins Boot zu holen gegen Iran. Die EU-Außenminister haben ihre Positionen dargestellt, aber ich glaube, dass die EU ihre Möglichkeiten, eine Antikriegspolitik gegenüber den USA zu machen, unterschätzt. Ich glaube, dass hier die EU-Staaten, an der Spitze die deutsche Bundesregierung, klar erklären müssen, dass sie sich unter keinen Umständen an einem Krieg gegen Iran beteiligen werden. Die Bundesregierung müsste meines Erachtens auch darüber hinaus gehen und jetzt schon erklären, dass sie der US-Regierung untersagen wird, ihre Militäreinrichtung auf deutschem Boden für einen solchen Krieg zu nutzen. Hier in Deutschland,  in Ramstein und Stuttgart, sind  wichtige Militäreinrichtungen, die bei den letzten Mittel-Ost-Kriegen eine sehr wichtige Drehscheibenfunktion hatten. Die deutsche Bundesregierung müsste meiner Meinung nach auch die Überflugsrechte außer Kraft setzen und dies auch bekannt geben, für den Fall, dass die USA mit einem Krieg beginnt. Das sind die Möglichkeiten, die Deutschland und die EU haben von vorne herein in die Waagschale zu bringen. Damit unterstützen die EU-Staaten die Kräfte in den USA, die im Grunde genommen auch kriegsmüde sind und insgesamt politisch einen neuen Krieg für falsch halten. Die EU-Staaten unterschätzen ihre Möglichkeiten der Einflussname auf die innenpolitische Legitimierung eines solchen Krieges. Deswegen plädiere ich dafür, dass die Bundesregierung und die EU schon jetzt Klarheit schaffen, damit dieser Kriegszug, der in Gang gesetzt worden ist, rechtzeitig gestoppt werden kann.

ParsToday: Herr Dr. Massarrat, das,  was Sie gerade gesagt haben, hatte der Bundesaußenminister Maas nach seinem kurzen Gespräch mit seinem amerikanischen Amtskollegen Pompeo unterstrichen. Er warnte die USA davor, einen Krieg mit dem Iran zu riskieren. Er hat Pompeo noch einmal deutlich gemacht, dass Deutschland keine militärische Eskalation haben wolle, sagte Maas nach diesem Gespräch. Wie wichtig finden Sie diese Äußerungen des deutschen Bundesaußenministers?
Massarrat: Ja, es ist selbstverständlich, dass eine solche Äußerung, nachdem jeder weiß, dass es die USA sind, die sich von dem Atomabkommen verabschiedet haben, dass es die USA sind, die die völkerrechtswidrigen Sanktionen gegen Iran verschärft haben ... das zu sagen,  ist das Allermindeste. Das ist insofern auch ein richtiger Schritt auch in die richtige Richtung. Aber ich meine, dass das nicht ausreicht. Deutschland und die EU haben wesentlich mehr zu sagen, als sie glauben. Sie können natürlich direkt keinen Einfluss nehmen. Aber sie können durch die Untersagung der Nutzung ihrer Militäreinrichtungen ... und das ist kein kleiner Schritt, das wäre sogar ein entscheidender kriegsverhindernder Schritt ... durch die Untersagung dieser Möglichkeiten, die sie als legitime Regierung erklären können. Sie sind sogar gezwungen die Interessen Deutschlands und Europas im Auge zu behalten. Sie sind gegenüber der Verfassung verpflichtet,  Angriffskriege abzulehnen und sich weder direkt noch indirekt daran zu beteiligen. Also insofern haben sie auch eine verfassungspolitische Verpflichtung,  deutlich zu werden und  den amerikanischen Bündnispartnern klar zu signalisieren, dass sie ihre Möglichkeiten für eine Kriegsverhinderung nutzen.

ParsToday: Herr Dr. Massarrat, Iran versucht seit dem Austritt der USA aus dem Atomabkommen, die Europäer davon zu überzeugen, an diesem Abkommen zu festhalten. Es ist dem Iran allerdings noch nicht gelungen, denn wir sehen, dass hier keine praktischen Schritte seitens der europäischen Länder unternommen werden. Was wäre Ihr Vorschlag dazu? Wie können die Europäer und Iran überhaupt zusammenarbeiten, um eine solche Kriegsgefahr abzuwenden?
Massarrat: Richtig ist, dass die europäischen Bündnispartner der USA ökonomisch wenig Möglichkeiten haben, die Sanktionen zu verhindern. Die Macht des Dollars als Weltwährung ist zu stark. Dazu haben die USA nicht zuletzt auch die Macht des Öl-Handels mit Dollar in ihrer Gesamtstrategie eingebaut. Dazu gehören auch leider die Öl-Kriege, die die USA führen, um diese Macht des Dollars aufrecht zu erhalten. Nun können die Europäer, die jahrelang diese Machtfunktion des Dollars unterschätzt haben, sehen, dass sie konfrontiert sind mit einem ganz starken ökonomischen Hebel, den die USA nutzen und dies auch gegen sämtliche völkerrechtliche Regeln nutzen. Dennoch haben die deutsche Bundesregierung und die EU-Außenminister insgesamt politisch längst nicht ihre Möglichkeiten genutzt, gegen die Sanktionen vorzugehen. Also ich denke z.B. an eine gemeinsame Klage vor dem internationalen Gerichtshof, eine Klage gegen die völkerrechtswidrigen Sanktionen der USA. Das ist eindeutig, dass die USA weit über die ökonomischen Möglichkeiten hinaus, das Völkerrecht verletzen, indem sie andere Staaten auffordern, ebenfalls das Völkerrecht zu verletzen, und ein Land mit ökonomischen Sanktionen zu versehen, weil sie über einen wichtigen ökonomischen Hebel, wie den Dollar verfügen. Das ist im Völkerrecht nirgendwo festgeschrieben, dass Supermächte und Weltwährungsmächte ihre Macht nutzen können. Das ist gegen das Völkerrecht. Also,   die EU-Staaten,  die erpresst werden,  gezwungen werden, auch das Völkerrecht zu verletzen, können dagegen klagen. In dieser Richtung passiert aber nichts. Das wäre auch meines Erachtens ein Signal, dass die Europäer setzen können.

ParsToday: Aber aus der Erfahrung heraus kann man sagen, dass diese Urteile, wenn sie überhaupt gefällt werden, von der US-Regierung ignoriert werden. Das haben wir bereits einige Male erlebt.
Massarat: Ja das ist richtig. Die USA ignorieren diese Urteile und begehen auf diese Weise noch einmal eine inakzeptable Völkerrechtsverletzung. Dennoch kann man nicht schweigen. Wenn man dagegen schweigt, wenn andere Staaten nichts unternehmen, wird diese Form von Völkerrechtverletzung zur Normalität. Und dann würde ein solches Verhalten nicht nur gegenüber Iran an den Tag gelegt, sondern auch gegen andere Staaten, letztlich auch gegen einzelne EU-Staaten. Schon aus Eigeninteresse und wegen der Glaubwürdigkeit der UNO und des Völkerrechts müssen die EU-Staaten trotz Ignoranz der US-Regierung hier intervenieren.

ParsToday: Herr Dr. Massarrat, kommen wir zum Schluss. Wie schätzen Sie nun angesichts dessen, was Sie gerade ausgeführt haben, die Kriegsgefahr am Persischen Golf, ein?
Massarat: Die Kriegsgefahr ist potentiell gegeben. Man weiß nicht, welche Provokationen noch im Spiel stehen. Die US-Regierung erhöht permanent den Druck. Und man weiß auch nicht, wie es dem Iran möglich ist, mögliche Gegenreaktionen wirklich zu kontrollieren und zu unterbinden. Ein falscher Schritt von einer der beiden Seiten kann einen Krieg zündeln. Ich denke,  es ist im Interesse der Weltöffentlichkeit, im Interesse der Region und im Interesse von Europa, immer wieder beide Seiten zu warnen, vor allem die US-Regierung zu warnen, weil es die US-Kriegstreiber sind, die ich  in Richtung eines Kriegs  fortbewegen. Iran reagiert bis jetzt. Man weiß aber nicht, wie lange noch.

ParsToday: Vielen Dank, Herr Dr. Massarrat, für dieses Gespräch!
Massarrat: Vielen Dank auch!
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Das Interview wurde geführt von: Seyed-Hedayatollah Shahrokny

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